Stefan Klein: Alles Zufall?
Ein gutes Sachbuch: angenehm, sogar unterhaltsam zu lesen. Der Autor schreibt in Geschichten und schafft es manchmal, mich zu berühren.
Diese Geschichten werde ich mir merken:
- Die Liebeserklärung an die Libelle in Kapitel 6, ein wunderschöner Organismus für ein Leben im Flug, gefolgt von dem Hinweis, dass sich Fliegen (und damit auch Mücken) evolutionsbiologisch aus etwas Ähnlichem wie der Libelle entwickelt haben. “Nur weil die Evolution zufällig ist, war dies möglich.” Das hat meine Vorstellung über die Stellung des Menschen in der Evolution verändert.
- Die Charakterisierung des Mathematikers John von Neumann in Kapitel 8 als jemand, der egoistisches Denken als Naturgesetz ansah. Jetzt kommt mir die ganze Spieltheorie wie eine Theorie vor, in der jeder gegen jeden kämpft. J.v.Neumann war dann auch derjenige, der die Städte auswählte, auf die die ersten Atombomben abgeworfen wurden und die Aufrüstung Amerikas mit Atomraketen empfahl. Er diente als Vorbild für “Dr. Strangelove oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben”.
Das Layout, die Anmerkungen und die Bibliographie, alles sehr schön aufgemacht und ansprechend.
Aus Sicht des Glücksspielers gibt es allerdings einiges zu meckern und daher nur 4 von 5 Sternen. Die sehr kurzen Erklärungen zur Entropie in Kapitel 3 sind mir zu wenig. Hier wäre eine gute Geschichte möglich gewesen, die mit dem Laplace’schen Prinzip der Indifferenz beginnt und mit dem Prinzip der maximalen Entropie endet. Die wichtige Gleichgewichtsbedingung des Prinzips der maximalen Entropie fehlt, und so machen alle Erklärungen über Zufall und Leben für mich recht wenig Sinn.
Es ist offensichtlich, dass sich der Autor in seinem akademischen Leben mit der Hirnforschung beschäftigt hat und dass er sich in seinen früheren Sachbuchveröffentlichungen u.a. mit Fragen der Evolution beschäftigt hat.